CIO 041 – Kulturwandel für die digitale Transformation – Interview mit Prof. Dr. Klaus Eckrich

Prof. Dr. Klaus Eckrich
Prof. Dr. Klaus Eckrich

Hallo und herzlich willkommen zur CIO Podcast Folge 41. In der heutigen Folge geht es um das Thema Kulturveränderung in der digitalen Transformation. Dazu spricht Petra Koch mit Prof. Dr. Klaus Eckrich.



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Folgende Aspekte werden in der Podcast-Folge besprochen:

  • Warum sollten CIOs und IT-Manager sich mit Unternehmenskultur befassen? [00:02:50]
  • Merkmale der Unternehmenskultur [00:05:40]
  • Kontext-Abhängigkeit von IT-Projekten [00:07:00]
  • Wie kann ein CIO oder IT-Manager erkennen, ob ein „Kulturwandel“ nötig ist? [00:10:00]
  • Ist das Thema Unternehmenskultur rational geschweige denn messbar? [00:13:15]
  • Auswirkungen von „verpasstem“ Kulturwandel [00:15:35]
  • Wie können CIOs und IT-Manager vorgehen bzw. welche Punkte sollte man im Blick haben, damit die Kulturveränderung gelingt? [00:18:50]
  • 8 Ursachen, an denen Kulturveränderungen im Unternehmen scheitern  – Lessons Learned [00:21:30]
  • Ein Tipp an CIOs und IT-Manager [00:23:50]

Mit Prof. Dr. Klaus Eckrich habe ich auch in der Folge 5 schon gesprochen zum Thema Change Management und heute geht es um das Thema Kulturveränderung. Ich stelle Prof. Dr. Klaus Eckrich nochmal ganz kurz vor, für diejenigen, die die Folge 5 noch nicht gehört haben. Im Jahr 2000 hat Professor Eckrich seine Beratungsgesellschaft Change House gegründet und berät seither Unternehmen und Führungskräfte zum Thema Change Management und Kulturwandel.

Er berät, trainiert und coacht Geschäftsführer und Leitungsteams, die ihre Organisation verändern möchten und dabei ihre Mitarbeiter mit ins Boot holen möchten. An der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach ist Professor Eckrich seit 1997 tätig. Er lehrt und forscht dort zu den Themen Führung, Change und Projektmanagement und Kommunikation. Zuvor war er in der Führungskräfteentwicklung am Universitätsseminar der Wirtschaft Schloss Gracht tätig. Nach seinem Studium der Volks- und Betriebswirtschaftslehre an der Universität in Mainz wurde er dort am Lehrstuhl von Professor Rolf Peffekoven promoviert.

Professor Klaus Eckrich stellt seine Überlegungen, wie die Kultur im Unternehmen gestaltet und Fehlerquellen umschifft werden können, in seinem aktuellen Buch „Kulturveränderung im Unternehmen“ zur Diskussion. Der Untertitel „Die verborgene Führungsdisziplin“ zeichnet die Linie in seinen Ausführungen vor. Er hält Führungskräften taktvoll, aber unmissverständlich den Spiegel vor und vermittelt leicht und nachvollziehbar den Einsatz von Führungswerkzeugen zur effektiven Veränderung der Unternehmenskultur.

Des Weiteren bereitet er in seinen Vorlesungen Studierende auf die Anforderungen, die an sie als Führungskraft in der Linienorganisation oder als Projektleiter in der Projektorganisation zukommen, vor. Er legt dabei den Schwerpunkt besonders auf die soften Faktoren. Durch seine Arbeit mit Geschäftsführern und Vorständen und Führungsteams sagt er, dass es im Wesentlichen auf zwei Dinge ankommt: zum einen die Fähigkeit zur Selbstreflexion und zum anderen das Bewusstsein für die Wichtigkeit der Gestaltung des eigenen Umfelds, also der Führungs- und Unternehmenskultur.

Freuen Sie sich mit mir auf ein spannendes Interview. Viel Spaß. Wir freuen uns auf Ihre Kommentare zum Interview, diskutieren Sie mit. Weitere Links finden Sie hier.

Transkript des Interviews zum Nachlesen

  1. Petra Koch:

    Die meisten Unternehmen haben Unternehmensleitlinien oder Werte. Reicht das aus? Oder warum sollten sich CIOs und IT-Manager mit dem Thema Unternehmenskultur befassen vor allem vor dem Hintergrund der digitalen Transformation, in der massive Veränderungsprozesse in den Unternehmen angestoßen werden?

    00:03:12-0

  2. Prof. Dr. Klaus Eckrich:

    Was Sie feststellen, trifft insbesondere für große Unternehmen zu. Sie arbeiten mit Leitlinien, Leitbildern und ihren Derivaten, die wir von Bezeichnungen wie Prinzipien-Guidelines oder auch dem Code of Conduct her kennen. In vielen Fällen könnte man auch sagen, die Manager schmücken sich mit Leitlinien.

    Solche Leitlinien sind von der Idee her auch hilfreich, verfehlen jedoch häufig ihre Wirkung. Warum? Weil die Initiatoren, also das Top-Management die Erarbeitung eines Leitbildes eher als lästige Pflichtübung zum Umgang mit der Kultur ansehen anstatt das Potenzial von Leitlinien wirklich richtig zu nutzen.

    Im Ergebnis zeigt sich dann Folgendes: Die Leitlinien hängen an der Wand und dann passiert nicht viel. Ein Personal-Manager sagte einmal zutreffend: Das Wertvollste an diesen Leitbildern war jeweils der Prozess der Erarbeitung. Nach der Fertigstellung wurden sie schubladisiert. Das sagt ja schon alles.

    00:04:05-0

  3. Petra Koch:

    Ja. Verschwinden in der Schublade und wurden nie wieder rausgeholt.

    00:04:08-3

  4. Prof. Dr. Klaus Eckrich:

    Genau. Ja.

    00:04:09-5

  5. Petra Koch:

    Was heißt das jetzt konkret für den CIO?

    00:04:13-4

  6. Prof. Dr. Klaus Eckrich:

    Das heißt erstens, digitale Transformation zieht kulturelle Veränderungen nach sich. Das heißt, das IT-Management muss damit rechnen, dass die Unterstützung seitens ihrer Kollegen in der Unternehmensleitung zur Bewerkstelligung des notwendigen kulturellen Wandels eher dürftig ausfällt.

    Denn von Managern außerhalb der IT, die schon mit der Handhabung von Leitlinien an ihre Grenzen kommen, werden Sie wohl kaum erwarten können, dass sie sich für technologisch induzierte kulturelle Anpassungsbedarfe begeistern und die damit einhergehende Führungsarbeit leisten.

    Zweitens, der CIO sollte sich deshalb darauf einstellen, dass ihm die Folgen der von seinen Kollegen hinterlassenen Führungslücken immer häufiger vor die Füße fallen und er und seine Mitarbeiter sehen sich mit mehr Friktionen während der Veränderung konfrontiert und bekommen zu spüren, dass Widerstände gegen Veränderungen nicht weniger werden, sondern deutlich zunehmen.

    Und drittens: CIOs und ihre Führungsteams werden sich noch mehr von der Rolle des kongenialen IT-Experten verabschieden und aktiver die Rolle des Change-Beraters einnehmen müssen. Konkret heißt dies, dass Sie die kulturellen Rahmenbedingungen, in denen Sie digitale Transformation vorantreiben, besser ausleuchten und kulturspezifische alternative Vorgehensszenarien mit Ihren Teams einplanen. Nach meinem Eindruck leben IT-Manager oft in ihrem eigenen technologiefixierten Kosmos, der wie ein Fremdkörper durch die Unternehmenskultur wandert. Aus dieser Rolle muss das IT-Management ausbrechen.

    00:05:44-3

  7. Petra Koch:

    Was macht eine Unternehmenskultur aus? Sie haben das gerade schon angesprochen, dass auch zunehmend der CIO sich mit dem Thema befassen sollte und vor allen Dingen auch vor dem Hintergrund der digitalen Transformation. Gibt es hier spezifische Merkmale, an denen man eine Unternehmenskultur festmachen kann?

    00:06:02-0

  8. Prof. Dr. Klaus Eckrich:

    Für viele Manager ist die Kultur immer noch so eher, etwas mehr ein diffuses Konstrukt und schwer greifbar. Schon bei meinen IT-Studenten merke ich, dass sie ganz schön mit dem Thema fremdeln. Im Grunde ist die Kultur jedoch recht einfach zu definieren. Unternehmenskultur bezeichnet das konkrete Verhalten, das Menschen bei ihrer Tätigkeit zeigen. Beispiel. Füttern die Teammitglieder den SharePoint mit relevanten Informationen oder eben nicht? Rufen sie die verfügbaren Informationen ab oder nicht? Hinter dem Verhalten stehen Einstellungen und Werte, die das Verhalten der Kollegen steuern.

    Beispiel. Sind die potenziellen Nutzer technikaffin oder technikavers? Begegnen sie dem SharePoint mit Offenheit oder haben sie Vorbehalte gegen dessen Nutzung? Einstellungen und Werte sind im Gegensatz zum Verhalten die abstrakten Größen des Kulturbegriffs. Das Management und auch die IT-Leitung muss darüber Hypothesen bilden. Das macht die Arbeit zugegebenermaßen etwas schwierig. Aber Menschen haben ja einen Kopf zum Denken und sind folglich zur Hypothesenbildung fähig. Sie müssen es nur wollen.

    00:07:06-7

  9. Petra Koch:

    Sehr gut. Ja, das was Sie angesprochen haben mit dem SharePoint, das stelle ich natürlich auch häufig fest in Projekten, vor allen Dingen, wenn es um das Thema Management-Reporting-System-Einführung geht oder IT-Strategie. Je nach Unternehmen wird das gleiche Thema häufig völlig anders von Führungskräften und Mitarbeitern aufgenommen und umgesetzt.

    Dies ist in meinen Augen sehr unternehmensindividuell und auch vom jeweiligen Kontext abhängig. Wie stark werden Ihrer Erfahrung nach inhaltlich gleiche Themen in einem anderen Unternehmenskontext beeinflusst und warum ist das Ihrer Meinung nach so?

    00:07:37-0

  10. Prof. Dr. Klaus Eckrich:

    Damit treffen sie meines Erachtens exakt den Punkt, der oft übersehen wird. Die technisch gleiche digitale Veränderung hat völlig unterschiedliche Erfolgsaussichten, je nachdem in welchem kulturellen Kontext sie stattfindet. In der Kultur des Unternehmens A haben Sie die Teamleiter, die entscheiden dürfen, die sich Zeit nehmen zu entscheiden, die auch zeitnah selbst entscheiden. Und sie haben Top-Manager, welche die Ressourcen bereitstellen und die Entscheidungen ihrer Teamleiter respektieren.

    Im Unternehmen B treffen Sie dagegen auf eine Kultur, in der die Teamleiter pro forma zwar entscheiden dürfen, sie haben aber keine Zeit Entscheidungen zu durchdenken, sie schieben Entscheidungen auf die lange Bank oder sie werden von ihrem Top-Management laufend übersteuert und bekommen nicht die Ressourcen, die sie eigentlich benötigen.

    Das heißt, für das gleiche Technologieprojekt haben Sie in beiden Unternehmen völlig unterschiedliche kulturelle Ausgangssituationen. Und machen wir uns nichts vor, die Praxis wartet mit einer Fülle von Variationen an Konstellationen menschlichen Verhaltens auf, für die vorauszudenken unsere Phantasie nicht annähernd ausreicht.

    Nehmen wir noch einmal das Beispiel des SharePoints, um die konkreten Folgen für die IT zu verdeutlichen. Dessen Einführung mag im Unternehmen X, in dem eine Offenheit gegenüber neuen Technologien und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Teammitgliedern vorherrscht, fast als Selbstläufer durchgehen.

    In einem Unternehmen Y, in dem Offenheit fehlt und Misstrauen herrscht, etwa weil Unternehmensteile fusioniert wurden oder weil sich das Top-Management gegenseitig die Show stiehlt, sowas gibt es ja auch im Unternehmen, ist die Gefahr groß, dass technisch sinnvolle Lösungen wie ein SharePoint das Schicksal einer Totgeburt erleiden. Die jeweilige kulturelle Situation ist also ein ganz wesentlicher Einflussfaktor für den Erfolg von IT-Initiativen.

    Der zweite Erfolgsfaktor liegt darin, dies zu erkennen und die eigene Handlungsstrategie auf die spezifische Situation anzupassen. Die kulturellen Unterschiede, auf die Sie ja hier anspielen, sind übrigens nicht nur über Unternehmensgrenzen hinweg zu sehen, die Unterschiede können auch für die IT schon innerhalb des gleichen Unternehmens zur Herausforderung werden, weil sie etwa zwischen den Abteilungen X und Y, zwischen den Standorten A und B, zwischen den Produktbereichen 1 und 2 oder den Regionen Nord und Süd signifikant ausfallen.

    00:09:54-8

  11. Petra Koch:

    Viele sprechen von der Digitalisierung beziehungsweise der digitalen Transformation und damit verbundene Veränderung vor allem auch für die IT-Organisation sowie für das gesamte Unternehmen.

    Wie kann jetzt ein CIO beziehungsweise einer IT-Manager, aber auch ein Geschäftsführer oder Vorstand erkennen, dass für sein Unternehmen, um die zukünftigen Herausforderungen meistern zu können, ein Kulturwandel nötig ist? Was löst also das Bestreben nach einem Kulturwandel aus?

    00:10:24-4

  12. Prof. Dr. Klaus Eckrich:

    Methodisch gesehen muss sich die genannte Person das Verhalten der Menschen in der gegenwärtigen Situation anschauen und sich Gedanken über die Einstellungen und Werte machen. Dies ist die Bestandsaufnahme der Ist-Kultur, in einem zweiten Schritt ist dann zu fragen, welches Verhalten benötigt wird, damit die Veränderung wirklich erfolgreich sein kann und es ist schließlich zu fragen, welche Einstellungen und Werte in der neuen Situation benötigt werden.

    Damit haben Sie die Soll-Kultur definiert. Im dritten Schritt wird dann gefragt, welche Unterstützung die an der Veränderung beteiligten Personen benötigen, um die neue Kultur leben zu können. Das Ganze hört sich jetzt recht abstrakt an. Von daher mache ich die Methodik an der Einführung von IT-Lösungen im Rahmen eines angestrebten Wissensmanagements mal fest. Um die Ausgangslage, also die Ist-Kultur zu beschreiben, wäre es in dem Fall sinnvoll zu fragen: Was läuft gut und was läuft weniger gut bezüglich des Wissenstransfers im Unternehmen?

    Bezüglich der Soll-Kultur wäre zu fragen: Wie stellen wir uns den persönlichen Umgang mit dem Erfahrungs- und Wissenstransfer vor?

    Und schließlich Schritt 3: Welche Unterstützung benötigen die Menschen, um ihr Wissen effektiv zu teilen? Dann und erst dann können IT-Systeme entwickelt werden, die den Wissensaustausch fördern. Wir kennen die häufig gelebte Praxis, die anders ist. Die Ausgangslage, also die Ist-Kultur wird nur unzureichend beschrieben. Gleiches Schicksal erleiden die Soll-Kultur und die Unterstützungsmaßnahmen. Und wie ist dann das Ergebnis? Es werden Wissensplattformen eingeführt, die kein Mensch wirklich nutzen kann.

    Nebenbei bemerkt scheint der Hype um das Thema Wissensmanagement abgeebbt zu sein. Die Ursachen liegen meines Erachtens eindeutig im fehlenden Kulturverständnis, weniger an fehlenden IT-Technologien.

    00:12:08-3

  13. Petra Koch:

    Okay. Also man muss auch bereit sein, Wissen als Mitarbeiter zu teilen und freizugeben für andere?

    00:12:15-7

  14. Prof. Dr. Klaus Eckrich:

    Genau. Ja. Und das ist dann der relevante Teil der Kulturfrage.

    00:12:19-8

  15. Petra Koch:

    Was ich häufig gerade bei dem Thema feststelle in den Unternehmen, ist das auch ein Stück weit Angst der Mitarbeiter. Wenn Sie jetzt ihr Wissen irgendwo reinstellen, was sie vielleicht vorher nur selber als einzelnes Kopf-Monopol hatten, dann ist das schon eine Veränderung, dann haben viele Leute, so was ich häufig feststelle, dann auch die Angst um ihren Arbeitsplatz plötzlich an vielen Stellen. Wie würden Sie sowas adressieren in so einem Kulturwandel?

    00:12:45-7

  16. Prof. Dr. Klaus Eckrich:

    Ja genau. Da setzt Kulturmanagement an, Kulturgestaltung an. Dann helfen Technologien nicht, sondern es sind die Menschen, mit denen gearbeitet werden muss. Und dann muss man zum einen feststellen, dass es so ein Phänomen gibt oder geben kann.

    Zum anderen kann man die Menschen fragen, warum Ängste entstehen und mit ihnen dann an ihren Ängsten arbeiten, um sie dann bereit zu machen oder die Bereitschaft zu fördern, dass sie sich auf die neue Technologie in dem Fall oder die neuen Vorgehensweisen einlassen.

    00:13:14-0

  17. Petra Koch:

    Super. Ich könnte mir vorstellen, dass es sicherlich Führungskräfte gibt, die mit diesen zugegebenermaßen weicheren Faktoren nicht so viel anfangen können und eher auf rationale Themen wie Zahlen, Daten und Fakten schauen. Das Thema Unternehmenskultur ist nicht rational, geschweige denn messbar. Oder doch?

    00:13:32-1

  18. Prof. Dr. Klaus Eckrich:

    Unternehmenskultur erscheint in der Tat vielen als nicht rational. Doch dies ist ein weitverbreitetes und meines Erachtens nicht haltbares Vorurteil. In Wirklichkeit ist das Gegenteil richtig.

    Konstruktives Verhalten führt zum Erfolg, kontraproduktives Verhalten zieht dagegen Misserfolg nach sich. Wir sprechen über Erfolg und Misserfolg als Folge von Kultur, die sich letztlich dem Return on Investment des Unternehmens niederschlägt. Und ich denke, das macht die Ratio der Kulturgestaltung unübersehbar, es sei denn Verantwortliche gefallen sich darin in ihrer Kulturblindheit zu verharren.

    In der Tat ist Kultur nicht in dem Sinne messbar wie man beispielsweise die Raumtemperatur oder den Speicherplatz auf der Festplatte misst. Aber man kann Kultur sozusagen quasi messbar machen, indem man beispielsweise feststellt, wie das konkrete Verhalten von Usern vor der Veränderung und wie das konkrete Verhalten der gleichen User nach der Veränderung ist, und indem man dieses Verhalten präzise beschreibt.

    Eine Diagnose-Box und eine Ziel-Architektur, beides Ansätze, die helfen die vorgefundene Ist-Kultur besser begreifbar und die angestrebte Soll-Kultur überprüfbar zu formulieren, stelle ich in meinem Buch ausführlich vor und mache deutlich, dass es zur Messbarmachung der Kultur inzwischen wirklich brauchbare wirklich gute Ansätze gibt, die den Managern auch helfen. Mein Eindruck ist, dass das Problem nicht in dem scheinbaren Manko fehlender Messbarkeit der Unternehmenskultur zu suchen ist, es fehlt den Führungskräften einfach an der Übung im Umgang mit der Unternehmenskultur. Deshalb scheuen sie zurück und erfinden Ausreden, warum das mit der Kultur gar nicht funktionieren kann oder sie tun das Thema als Psychokram ab, was man auch sehr oft hört.

    00:15:13-2

  19. Petra Koch:

    Ich könnte mir auch vorstellen, das ist natürlich ein sehr langwieriger Prozess oder? Also die Unternehmenskultur ändert man nicht von heute auf morgen oder?

    00:15:20-5

  20. Prof. Dr. Klaus Eckrich:

    Ja. Das braucht schon seine Zeit. Also Verhalten kann man sehr schnell ändern, wenn man jemanden unter Druck setzt. Die Frage ist dann allerdings, wie nachhaltig ist diese Verhaltensänderung? Will man eine nachhaltige Verhaltensänderung, dann muss man mit den Menschen an ihren Einstellungen und Werten arbeiten und das dauert. Das braucht Zeit.

    00:15:37-0

  21. Petra Koch:

    Was könnte das für Unternehmen bedeuten, wenn ein notwendiger Kulturwandel vom Management gar nicht gesehen beziehungsweise für notwendig erachtet wird? Sie haben eben schon ein paar Beispiele gegeben mit dem Return on Investment, an dem man das dann letztendlich erkennen kann. Was gibt es dann noch für Themen?

    00:15:55-2

  22. Prof. Dr. Klaus Eckrich:

    Viele Manager übersehen oder ignorieren in der Tat die Notwendigkeit zur Kulturveränderung mit schwerwiegenden teils auch fatalen Folgen. Im Fall von Microsoft argumentieren Beobachter, dass die Teamkultur phasenweise durch zweifelhafte Führungssignale unterminiert wurde und damit auch die Innovationskraft geschwächt wurde.

    Man sagt, das wäre in der Zeit von Steve Ballmer gewesen, als er CEO von Microsoft war. Bezeichnend ist der Erfolg und der Abstieg von Digital Equipment. Edgar Schein analysiert in seinem Buch „Vom Aufstieg und Fall von DEC“ mit eben dem Argument, dass das Unternehmen den notwendigen Kulturwandel verpasst. Nach Schein war DEC (Digital Equipment Corporation) aufgrund seiner technischen Innovationskultur über Jahrzehnte sehr erfolgreich, diese Kultur brachte jedoch ein Immunsystem hervor, das keine Manager tolerierten, die sich etwa für wirtschaftliche Lösungen oder für stärkere Kontrolle oder effektivere Produktionsformen stark machten.

    Schein sagt, diese kulturelle Starrheit führte zum Niedergang von DEC, das am Ende dann von Compaq übernommen wurde. In der Managementlehre wird Kulturgestaltung heute meines Erachtens zu Recht als der wesentliche Transmissionsriemen zur Umsetzung von Unternehmensstrategien angesehen. Das heißt, ohne Kulturveränderung ist eine strategische Neuausrichtung mit neuer technologischer Positionierung nicht möglich.

    Nach meinem Dafürhalten sollte die Unternehmenskultur allerdings nicht auf die Rolle des unterstützenden Handlungsfeldes für die strategische Ausrichtung reduziert werden. Unternehmenskultur ist auch die Voraussetzung für gute Strategiefindung und Strategieentwicklung und systemisch gesehen somit sogar der wichtigere Erfolgsfaktor als Strategie oder Technologie.

    Zum Beispiel wird der ehemalige CEO von der IBM, Louis Gerstner zitiert, er antwortet auf die Frage, wie er die IBM saniert habe, mit der Aussage:

    „Culture is everything, if it isn’t right, nothing goes on.“

    Die Bedeutung der Unternehmenskultur lässt sich auch am bekannten Schicksal der Social Network Familie StudiVZ, SchülerVZ und MeinVZ verdeutlichen. Die Kultur der Netzwerkgründer ließ es nicht zu, eine adäquate strategische Antwort auf die damalige Bedrohung von Facebook zu finden, selbst wenn sie eine Antwort gefunden hätten, wären sie meines Erachtens kulturell nicht in der Lage gewesen, eine neue Strategie umzusetzen, weil ihnen Dinge wie effektive Führung und netzwerkübergreifende Teamarbeit irgendwie fremd waren.

    Ein abschließender Gedanke zur Bedeutung der Kultur. Im Angelsächsischen spricht man von „Toxic Assumptions“, also unbewusste, vergiftete Annahmen über die eigene Kultur. Die Kultur, die uns als Unternehmen in der Vergangenheit erfolgreich gemacht hat, kann kontraproduktiv werden, sobald sich die Marktbedingungen ändern. Wer den Faktor Kultur ausblendet, erzeugt eine, wie im Fall von DEC und den VZ Netzwerken zu sehen, kritische Situationen, wird die Bedeutung der Kultur erkannt, wie im Fall von Microsoft und der IBM, kann das Unternehmen auf die Erfolgsspur zurückkehren.

    00:18:51-9

  23. Petra Koch:

    Also nehmen wir nun an, die CIOs und IT-Manager, die uns zuhören, haben erkannt, dass sie kulturell in ihrem Unternehmen etwas verändern möchten, wie können sie nun vorgehen beziehungsweise welche Punkte sollte man im Blick haben, damit der Wandel gelingt?

    00:19:05-9

  24. Prof. Dr. Klaus Eckrich:

    Man sollte vor allem folgende 4 aufeinander aufbauende Schritte aktiv bearbeiten.

    Punkt 1: Wie ist das Commitment für die Kulturveränderung? Das heißt, bringen die zur Umsetzung benötigten Kolleginnen und Kollegen das notwendige affektive Commitment mit, gleichbedeutend mit, wird die Veränderung wirklich gewollt, also stehen die Leute wirklich dahinter? Fehlt das Commitment an entscheidenden Stellen, wird es schwierig. Im Buch spreche ich auch von kalkulativem Commitment, das vorliegt, wenn Kollegen mit Druck von außen gedrängt werden und von Schein-Commitment, das nur vorgetäuscht wird. Diese Qualitäten von Commitment sind definitiv unzureichend.

    Punkt 2: saubere Bearbeitung der Ist-Kultur vor der Veränderung. Dieser Schritt gehört wie in allen Lebensbereichen, ich nenne hier einmal die Medizin, zum selbstverständlichen Maßnahmenrepertoire. Sie kennen das ja, ohne Diagnose verschreibt ihnen kein verantwortungsbewusster Arzt irgendein Medikament. Meiner Beobachtung nach neigen IT-Manager von ihrem Naturell her bei der Aufgabe Kulturdiagnose zu schludern. Und jetzt stellen Sie sich vor, Ihr Arzt verschreibt ihnen am Telefon auf Verdacht ein Medikament und sagt, na wenn es nicht wirkt, kommen Sie doch mal zur Untersuchung vorbei. Eigentlich unmöglich und undenkbar. Was in vielen Lebensbereichen zum Standard gehört, sollte auch für das IT-Management gelten.

    Punkt 3: klare Beschreibung der Soll-Kultur, also des Umgangs der Menschen mit der veränderten Situation, der neuen Technologie oder dem geänderten System. Auch hierüber wird häufig zu schnell hinweggegangen. Das Herzblut der IT fließt mehr in Richtung Technologie als in die Richtung der Menschen und ihrem Umgang mit den Technologien, mit denen sie arbeiten sollen.

    Und schließlich und letztlich Punkt 4: sorgfältig überlegte kulturspezifische Unterstützungsmaßnahmen für die Menschen, die nicht nur mit der Veränderung leben sollen, sondern die Veränderung selbst auch aktiv leben sollen. Hierzu gehören zum Beispiel professionelle Information, eine Kommunikation, welche die Kollegen ernst nimmt und sie überzeugt und wirkungsvolle Maßnahmen zur Umsetzung etwa Schulungen oder Workshops. Gegebenenfalls ist ist sogar eine Grundlagenqualifizierung in IT-Trends und Techniken sinnvoll, etwa wenn der technologische Wandel im Unternehmen massiv ist und einen tiefgreifenden kulturellen Wandel erfordert. Hierbei geht es nicht darum, IT-Technologie zu erlernen, sondern es geht darum IT-Technologie zu verstehen und auf Basis dieses Verständnisses die eigenen Einstellungen und Wertvorstellungen neu zu justieren.

    00:21:32-4

  25. Petra Koch:

    Im abschließenden Kapitel Ihres Buches zur Unternehmenskultur, das Sie bezeichnenderweise mit „Fallstricke für den kulturellen Wandel“ überschreiben, erläutern Sie 8 Ursachen, an denen Kulturveränderungen im Unternehmen scheitern können. Was sollten unsere Hörer als Lessons Learned mitnehmen? Welche dieser Punkte sollten CIOs auf jeden Fall beherzigen, um die Kulturveränderung in den für sie relevanten Bereichen besser umsetzen zu können?

    00:21:58-8

  26. Prof. Dr. Klaus Eckrich:

    Meines Erachtens sind das vor allem die folgenden Fallstricke, die CIOs neutralisieren oder sogar kompensieren müssen.

    Fehlendes Commitment des Top-Managements. Das heißt, die Leute an der Spitze wollen die Veränderung, aber sie halten sich vornehm zurück, wenn es darum geht die Mitarbeiter in die Veränderungen zu begleiten, zu unterstützen, geschweige denn die Veränderungen vorzuleben.

    Konkreter Fall. Es wird Fertigungsleitstand konzipiert, um den Wertstrom besser abzubilden, aber die Geschäftsleitung interveniert laufend und hält selbst Informationen zurück, die für die Value Chain wichtig wären. Der CIO muss in solch einem Fall seinen Kollegen vom Vorstand auf die Füße treten und sagen, was geht und was nicht. Wenn er das nicht tut, hat sein eigenes Team einen schweren Stand und produziert IT-Lösungen die nicht abgerufen werden.

    Ein 2. Fallstrick besteht meines Erachtens in der unrealistischen Vorstellung von der Aufgabe, kulturelle Veränderungen, die mit technischem Wandel notwendigerweise einhergehen, werden unterschätzt, übersehen oder ausgeblendet. Komplexitätsreduktion ist im Management immer wieder trendy, aber die hier in Rede stehenden Veränderungen sind einmal nicht trivial und der CIO muss seinen Leitungskollegen und seinem eigenen Team helfen, die Komplexität im Vorhinein zu erkennen, bevor sich die Probleme im laufenden Veränderungsprozess auswachsen.

    Schließlich ist das Thema falsch verstandene Delegation ein klassischer Managementfehler. Anstatt sich selbst zu kümmern, werden kulturgestaltende Umsetzungsmaßnahmen an die Mitarbeiter delegiert, denen jedoch die Durchsetzungskompetenz fehlt. Wenn ein Bereich oder eine Abteilung nicht mitzieht, muss dies letztlich der IT-Mitarbeiter ausbaden. Die Aufgabe des CIO wäre in so einem Fall mit den betreffenden Leitungskollegen Klartext zu sprechen, damit dieser die Rahmenbedingungen schafft, die das IT-Team für eine vernünftige Arbeit benötigt.

    00:23:50-7

  27. Petra Koch:

    Wenn Sie einem CIO beziehungsweise einem IT-Manager einen einzigen Tipp geben könnten, welcher wäre das?

    00:23:57-7

  28. Prof. Dr. Klaus Eckrich:

    Ich möchte CIOs ermuntern sich zu trauen das Thema Unternehmenskultur und Kulturveränderungen wirklich offensiv anzugehen.

    00:24:06-0

  29. Petra Koch:

    Super. Vielen Dank Herr Professor Eckrich fürs Interview.

    00:24:09-2

  30. Prof. Dr. Klaus Eckrich:

    Sehr gerne.

    00:24:09-9

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