Botschafter der digitalen Transformation – Die Rolle des CIOs und IT-Managers

Interview mit Wolf-Dietrich Lorenz – Chefredakteur des Krankenhaus IT-Journals

Anlässlich des Vortrags von Petra Koch zum Thema „Strategische Weichenstellung für die IT- Organisation im digitalen und vernetzten Krankenhaus“ auf der Frühjahrstagung 2019 des Bundesverband KH-IT e.V. in Dortmund, mit ca. 200 IT-Leiterinnen und IT-Leitern deutscher Krankenhäuser, ist der folgende Artikel im Krankenhaus IT-Journal entstanden. Dieses Interview ist unter dem Titel „Botschafter der digitalen Transformation  –  Neue Rollen für IT und IT-Manager“ in Ausgabe 3/2019 vom 21.6.2019 im Krankenhaus IT-Journal erschienen.

Wolf-Dietrich Lorenz: Zukunftsvisionen für das digitale und vernetzte Krankenhaus sind als Richtungsweiser nötig. Warum tun sich die Krankenhäuser mit der digitalen Transformation jedoch so schwer?

Petra Koch: Die Antwort auf diese Frage ist für das einzelne Krankenhaus sicherlich immer sehr spezifisch und es gibt diverse Gründe warum digitale Initiativen verfolgt oder eben nicht verfolgt werden. Hier ist es immer wichtig den Status Quo zu betrachten und die Ausgangsbasis zu analysieren. Generell kann man dazu sagen, dass es Menschen braucht, die den Wandel vorantreiben, häufig sind das eben auch die CIOs in Unternehmen und Krankenhäusern. 

Ein Grund für eine vorsichtige Zurückhaltung bei der digitalen Transformation kann sicherlich sein, dass ein Krankenhaus 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag im Betrieb ist und es hierbei um Menschenleben geht. Es ist also von sehr hoher Bedeutung, dass entscheidende und wichtige angebotene Dienste und Services in der IT auch immer verfügbar sind. Hier hat es ein CIO im Krankenhaus sicherlich schwieriger als mancher CIO in anderen Unternehmen, wo bestimmte Services auch für eine begrenzte Zeit vom Netz genommen werden können, z.B. über Feiertage oder in Betriebsferien. Dennoch gilt es hier aus meiner Sicht eine Balance zu finden zwischen Innovation und Stabilität, damit neue Themen entwickelt werden können. 

Im Rahmen der digitalen Transformation sind drei Themen aus meiner Sicht essentiell. Ein Aspekt ist das Thema IT-Strategie und Organisation, das zweite Thema ist Daten und IT-Systeme und der dritte Aspekt sind Menschen und Ihre Fähigkeiten, die Sie für einen Wandel benötigen.

Wolf-Dietrich Lorenz: Welche Kernpunkte gehören hauptsächlich zur IT-Strategie? Wie lassen sie sich vor allem erreichen?

Petra Koch: Sie fragen nach den Kernpunkten der IT-Strategie, hier wäre mir wichtig zunächst zu erwähnen, warum eine IT-Strategie überhaupt von so hoher Bedeutung ist. Die IT-Strategie unterstützt die Unternehmens- bzw. Krankenhausstrategie und zeigt die Vision für die kommenden Jahre auf. Nur wenn allen Beteiligten klar ist, was das Ziel ist und in welche Richtung das Krankenaus auch IT-seitig ausgerichtete werden soll, kann effizient und zielorientiert gearbeitet werden. Ansonsten ist es aus meiner Sicht sehr schwer die IT-Organisation zu steuern. 

Bevor man sich allerdings mit der IT-Strategie auseinandersetzt, sollte das Unternehmens- bzw. Krankenhausumfeld analysiert werden und im besten Fall gemeinsam mit der IT-Strategie auch eine Gesamtstrategie für das Krankenhaus im digitalen Wandel entwickelt werden. 

Nun aber zu den Kernpunkten und Bestandteilen einer IT-Strategie. Ich habe für die IT-Strategie 9 „Bausteine“ ausgemacht. Warum Bausteine? Weil eine IT-Strategie je nach Ausgangslage des Unternehmens nicht immer aus allen Bereichen bestehen muss bzw. noch ergänzende Punkte hinzukommen oder einige dieser Punkte weggelassen bzw. kürzer gefasst werden können. 

Diese 9 Bausteine sind:

  1. IT-Vision und Mission,
  2. IT-Steuerung und Governance,
  3. Produkte und Services,
  4. Projekt-Portfoliomanagement,
  5. IT-Prozesse und IT-Sicherheit,
  6. IT-Architektur und Datenmanagement,
  7. Lieferantenmanagement,
  8. Anforderungsmanagement und
  9. Menschen und Kultur.

Die IT-Vision und Missiongeben den Rahmen und die Zielsetzung einer IT-Strategie vor, hier sollte festgelegt werden wo das Krankenhaus z.B. in einem Zeithorizont von 5 Jahren stehen möchte. Die IT-Steuerung und Governance kann dann darauf ausgerichtet werden. Die Positionierung der IT ist dabei sehr wichtig. Soll die IT interner Berater sein oder eher wie ein externer Dienstleister agieren. Dementsprechend können dann die weiteren „Bausteine“ der IT-Strategie ausgeprägt werden. Hierbei spielen organisatorische und prozessuale Fragestellungen eine große Rolle. 

In jeder IT-Organisation gibt es Standardprodukte und -services, diese sollten beschrieben und für die Fachbereiche und interne Kunden abrufbar sein. Hier ist es oftmals wichtig die Themen zu strukturieren und sich auf wesentliches zu fokussieren. 

Ein Aspekt der in Unternehmen aber auch in einigen Krankenhäusern sicherlich noch in den Anfängen ist, ist das Thema Projekt-Portfoliomanagement. Hierbei geht es um die strukturierte Bewertung von Projekten und Vorhaben, damit diese im Sinne des Krankenhauses Nutzen- und/oder gewinnbringend eingesetzt und durchgeführt werden können. Auch hier geht es wieder darum die bestehenden und zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal einzusetzen. 

Die IT-Prozesse sollten angemessen strukturiert und für die Unternehmens- bzw. Krankenhausgröße passend ausgestaltet sein. Leider wird hier oftmals zu großen Frameworks und Standards gegriffen, die aber mit der Mitarbeiterzahl eines mittelständischen Betriebes nicht in Gänze abgebildet werden können. Außerdem beziehen sich diese Frameworks häufig auf den professionellen Betrieb von IT-Dienstleistern. Hier stellt sich mir immer die Frage, ob eine interne IT das überhaupt in dieser Ausprägung sein möchte, denn da ist es aus meiner Sicht wichtiger interne Geschäftsabläufe zu kennen und die Kollegen maßgeschneidert für das eigene Haus beraten zu können als perfekte IT-Prozesse mit umfangreichen SLAs intern ausgearbeitet zu haben etc.. Krankenhäuser sind kritische Infrastruktur (KRITIS) und sollten daher auch bei dem Thema IT-Sicherheit entsprechende Punkte und Themen in die IT-Strategie aufnehmen und falls noch nicht geschehen umsetzen.

Neben den Prozessen ist die gesamte IT-Architektur des Krankenhauses und auch der Austausch mit anderen Stellen wie beispielsweise Ärzten und Krankenkassen wichtig für den Inhalt einer IT-Strategie. Hier werden sich in den nächsten Jahren sicherlich noch einige Neuerungen ergeben und das ist ein gutes Feld sich frühzeitig strategische Gedanken zu machen und diese im Unternehmen und Krankenhaus umzusetzen. Vor allem das Thema Datenmanagement und die Governance der Daten wird in der digitalen Transformation sehr wichtig. Viele Themen laufen automatisiert, hier können richtige Abläufe aber nur mit qualitativ guten Daten gewährleistet werden, hier gibt es in Unternehmen und Krankenhäusern häufig Nachholbedarf.

Vieles in der IT ist heute nicht mehr nur mit internem Personal realisierbar, daher werden Dienstleister und Externe eingebunden, diese gilt es aber auch zu steuern also ein Lieferantenmanagement sicherzustellen. Diese Aspekte sollten ebenfalls Berücksichtigung in einer IT-Strategie finden.

Vom Lieferanten kommen wir zum internen Kunden oder der Fachabteilung. Denen ist meist nicht so wichtig mit welchem Lieferanten die IT-Abteilung zusammenarbeitet. Häufig kommen diese aber schon mit der IT-Lösung auf die IT-Organisation zu und bitten um Einführung. Aus meiner Sicht sollte an dieser Stelle das Anforderungsmanagement viel proaktiver und früher von der IT angesetzt werden, so dass man über fachliche Inhalte und Wünsche mit den Fachbereichen in das Gespräch kommt und aus einer Gesamtsicht heraus die optimale Lösung finden kann. Sonst kommt es schnell dazu, dass Sie für eine fachliche Anforderung, die von zwei Bereichen gestellt wird, nachher auch zwei völlig unterschiedliche Tools verwalten müssen. Damit steigen Komplexität und meist auch Kosten unnötigerweise in die Höhe.

Zu guter Letzt, aber nicht weniger wichtig, sollten die Menschen in und um die IT-Organisation herum betrachtet werden, ebenso wie Ihre Fähigkeiten, Stärken und Schwächen. Die Unternehmenskultur und die Einstellung der Mitarbeiter in der IT-Organisation, aber auch in den Fachbereichen kann entscheidend sein für den Erfolg und/oder Misserfolg in der digitalen Transformation. Mein Tipp ist da immer, binden Sie die Mitarbeiter in den IT-Strategieprozess mit ein und überlegen Sie wie eine Transformation gemeinsam gelingen kann. Damit können Sie die strategischen Ziele auch nachhaltig erreichen.

Auch die Priorisierung von Themen kann in einer IT-Strategie hilfreich sein, damit abgeleitete Maßnahmen ebenfalls sinnvoll ausgerichtet aufeinander folgen oder ineinandergreifen können. Wie immer ist es wichtig nach der Strategieentwicklung in die Umsetzung zu kommen, hier hilft wie gesagt die Priorisierung und eine Roadmap mit den wichtigsten Themen und ein grober Zeithorizont. Die Detailplanung kann dann auch über das Projektportfoliomanagement erfolgen.

Wolf-Dietrich Lorenz: Wo ist bei den Fähigkeiten der IT-Organisation für die digitale Transformation besonders nachzubessern? Was können die Krankenhaus-IT-Verantwortlichen dabei von digital fortgeschrittenen Branchen lernen?

Petra Koch: Wo im einzelnen Fall nachzubessern ist, müsste man gesondert analysieren. Generelle Fähigkeiten, die es für die digitale Transformation aus meiner Sicht braucht, lassen sich unter den Begriffen innovate – design – transform zusammenfassen. 

Innovationsfähigkeit ist nötig, um neue technologische Entwicklungen zu erkennen und für das eigene Krankenhaus zu bewerten.

Designfähigkeit ist nötig, um neue und bestehende Lösungen möglichst anwenderfreundlich zu designen, damit die Akzeptanz und auch die Nutzung der Lösung steigt. 

Transformationsfähigkeit ist nötig, damit neue Strategien und digitale Lösungen umgesetzt werden können, denn das benötigt immer eine Veränderung der handelnden Akteure. 

Viele Themenstellungen in der digitalen Transformation haben zwar auch mit Technik, aber vieles auch mit der Organisation, Prozessen und der Datenqualität zu tun. Daher sollte im Rahmen der digitalen Transformation der Blick geweitet werden und auch diese Aspekte hinterfragt und auf den Prüfstand gestellt werden. Ein neues System alleine kann mögliche Handlungsfelder in den seltensten Fällen beheben.

Wolf-Dietrich Lorenz: Was empfehlen Sie dem IT-Manager im Krankenhaus für seine Aufgabe als Botschafter der digitalen Transformation vor allem?

Petra Koch: IT-Manager und CIOs sollten erkennen, dass Sie es sein können, die den Wandel im eigenen Haus mitgestalten oder sogar maßgeblich gestalten können. Dazu empfehle ich die aktive Kommunikation mit den Kollegen und Stakeholdern zu suchen, denn häufig ist das ein Aspekt, hinter dem sich die IT-Organisation versteckt. Viele IT-Manager beklagen erst zu spät eingebunden zu werden, doch dem kann man eben auch aktiv entgegentreten und Gespräche einfordern. 

Ein weiter wichtiger Punkt ist aus meiner Sicht die Zusammenarbeit und Kollaboration intern sowie extern. Die digitale Transformation ist eine große Veränderung und ich hatte ja schon angedeutet, dass diese nicht nur die Systeme betrifft. Von daher tun CIOs und IT-Manager aus meiner Sicht gut daran, mit internen und externen Partnern zusammen an diesem Ziel zu arbeiten. Binden Sie Kollegen mit ein und holen Sie sich Input von Unternehmen und Krankenhäusern, die bereits auf der Reise sind oder von anderen Branchen, die ggf. schon einige Punkte und „lessons learned“ hinter sich haben. Man muss ja auch nicht alles wiederholen. 

In meinen Augen ist die Umsetzungsgeschwindigkeit ein weiterer bedeutender Aspekt. Viele Themen werden sehr lange geplant und in riesigen Projekten angegangen. Ein Tipp an dieser Stelle ist, schneiden Sie die Themen wieder klein, wenn Sie das Gesamtbild haben, damit die Themen handelbar bleiben. Überlegen Sie was das kleinste Produkt oder die kleinste Lösung (minimum viable product – „MVP“) ist, die eingeführt werden kann. Wenn dieser Prototyp entwickelt wird kann die Organisation lernen und immer wieder Verbesserungen einfließen lassen. Hier ist es wie gesagt im Krankenhausumfeld wichtig, diese Lernerfahrungen im Parallelbetrieb und mit Themen zu machen, die durch einen möglichen Ausfall keine Menschenleben gefährden. Es sollte also eine ausgewogene Balance zwischen Innovation und Stabilität gefunden werden. 

Zuletzt, jedoch nicht weniger wichtig sollten die Themen konsequent verfolgt werden. Häufig ist am Anfang eines Projektes viel Elan und Freude da, die bei einigen Teilnehmer vergeht, wenn Sie das Ausmaß und die Dimension der Handlungsfelder und erste Probleme erkennen. Hier gilt es aber die Mannschaft auf Kurs zu halten. Ein konsequentes und zielgerichtetes Handeln ist daher aus meiner Sicht für den Erfolg mit einer der wichtigsten Faktoren für den CIO und IT-Manager in der digitalen Transformation.

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