CIO 049 – ERP-Systeme als Datenfundament des Unternehmens – Interview mit Prof. Dr. Axel Winkelmann

Prof. Dr. Axel Winkelmann
Prof. Dr. Axel Winkelmann

In CIO Podcast Folge 49 geht es um ERP-Systeme und Ihre Basis als Datenfundament des Unternehmens. Dazu spricht Petra Koch mit Prof. Dr. Axel Winkelmann.



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Folgende Aspekte werden in der Podcast-Folge besprochen:

  • Funktionalitäten und wesentliche Bedeutung eines ERP-Systems für Unternehmen (00:30)
  • ERP-Systeme im Zeitalter der Digitalisierung – Datenfundament (07:25)
  • Herausforderungen und Chancen beim Aufbau oder der Modifikation eines ERP-Systems (16:50)
  • Zeitpläne für ERP-System Einführungs- oder Modifikations-Projekte (27:15)
  • Der ERP-Markt – Cloud vs. on-premise Lösungen (33:50)
  • Mittelständische Unternehmen und ERP-Systeme (40:00)
  • Ein Tipp an CIOs und IT-Manager im Bezug auf ERP-Systeme (44:00)

Mit der Fragestellung wie sich Geschäftsmodelle und damit das Datenfundament des Unternehmens verändern beschäftigt sich Prof. Dr. Axel Winkelmann gemeinsam mit seinen Mitarbeitern an der Universität Würzburg und er ist dabei Experte und Spezialist für Unternehmenssoftware, insbesondere ERP-Systeme. Zu diesem Zweck betreibt er an der Universität Würzburg das wohl größte Labor für Unternehmenssoftware für Forschung und Lehre in Deutschland. Er ist aktiv in zahlreicher Auswahl- und Einführungsprojekte betrieblicher Standardsoftware eingebunden und arbeitet darüber hinaus eng mit zahlreichen Softwareherstellern zusammen.

Wöchentlich berichtet er außerdem im ERP-Podcast, einem deutschsprachigen Audio-Podcast über Unternehmenssoftware, den finden Sie unter www.erp-podcast.de, über neue Erkenntnisse und Anforderungen in Bezug auf den Einsatz von betrieblicher Standardsoftware in Unternehmen freuen Sie sich also mit mir auf ein spannendes Interview zum Thema ERP-Systeme mit Professor Winkelmann. Viel Spaß!

Wir freuen uns auf Ihre Kommentare zum Interview, diskutieren Sie mit. Weitere Links finden Sie hier.

Transkript des Interviews zum Nachlesen

  1. Petra Koch:

    Seit einigen Jahrzehnten sind sie am Markt, heutzutage hat jedes Unternehmen nahezu ein solches System.

    Die Rede ist vom ERP-System.

    Kennt eigentlich so gut wie jeder.

    Jetzt fragen wir uns aber trotzdem, was macht denn den Kern eines solchen Systems aus und warum sind die ERP-Systeme heute aus den Unternehmen nicht mehr wegzudenken?

    Was würden Sie sagen?

    00:02:09.4

  2. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Ich denke, das ERP-System ist das zentrale Datenfundament des Unternehmens, also das Unternehmensdatenfundament und das ist einfach notwendig, um überhaupt interagieren zu können.

    Vielleicht mache ich es mal einem Beispiel plastisch.

    Ich habe jetzt gerade einen Stift in der Hand.

    Wenn man den so sieht, dann ist das relativ offensichtlich, ich habe einen Stift in der Hand, der hat eine bestimmte Farbe, der hat eine bestimmte Größe und so weiter und so fort.

    Wenn ich den jetzt hinter meinen Rücken setzen würde oder Sie aus der Ferne, Sie können den auch nicht sehen, dann stellt sich natürlich schon die Frage, wie viele Stifte hat der Winkelmann in der Hand?

    Das ist dann schon eine Frage, die wir eigentlich nur noch lösen können aus diesem Dezentralen, wenn wir halt sagen, wir bilden die Realität irgendwo virtuell, sprich, im Unternehmensdatenfundament, in unserem Falle ERP, ab und dann funktioniert das auch.

    Das nenne ich immer die erste digitale Revolution, sozusagen das Abbilden des Physischen in der virtuellen Parallelität.

    Aber das Ganze kann auch noch weitergehen.

    Ich kann zum Beispiel sagen, okay, Frage an Sie, wem gehört der Stift?

    Und Sie werden mir die Frage nicht beantworten können, weil er ist zwar jetzt in meiner Hand, aber das heißt ja nicht unbedingt, dass mir der Stift gehört.

    Also fragen Sie meine Mitarbeiter, denen klaue ich irgendwie bei Besprechungen immer ihre Stifte so.

    Dann habe ich ihn zwar in der Hand, aber eigentlich gehört der mir nicht.

    Das ist genauso etwas Virtuelles, sozusagen Metadaten, also übergeordnete Daten über dem Stift, die eben dazu Aussagen treffen, wem gehört der, was können wir damit machen.

    Und das sind Dinge, die wir auch seit einiger Zeit machen.

    Wir bauen zum Beispiel Konsignationslager auf, also wir haben Lager, deren Inhalte, deren Artikel deren Produkte gar nicht uns gehören, sondern zum Beispiel unseren Lieferanten und die wir erst bezahlen müssen, wenn wir sie dort nehmen und nutzen.

    Oder wir bauen plötzlich Steuermodelle auf Basis dieser virtuellen Dinge, weil die Stifte oder irgendwelche anderen Artikel eben in bestimmten Ländern zwar offiziell gelagert sind, aber in der Virtualität, also sozusagen in der realen Virtualität, eigentlich gar nicht diesem Land zugeordnet sind, sondern vielleicht Unternehmen in ganz anderen Ländern gehören oder, oder, oder.

    Das ist dann, wenn Sie so wollen, eine zweite digitale Evolution oder ein bisschen dramatischer Revolution, dass man eben das nutzen kann, um ganz neue Arten mit physischen Dingen umzugehen, aufzubauen.

    Dann können wir noch weitergehen und sagen, okay, wir haben vielleicht noch andere Daten.

    Wie häufig hat der Winkelmann den Stift schon genutzt?

    Was ist alles mit dem Stift schon passiert?

    In welchen Temperaturen wurde er genutzt?

    Ist der eingetrocknet?

    Und so weiter und so fort.

    00:04:58.8

  3. Petra Koch:

    Gerade bei den Temperaturen.

    00:05:00.9

  4. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Ja, da kommen wir so langsam in die Cyber Physical Welt, also das, was wir als Cyber Physical Products bezeichnen, was heute vielleicht noch gar nicht so eine große Bedeutung hat.

    Aber wenn wir über den 5G, über den neuen Mobilfunkstandard in wenigen Jahren reden, dann werden wir sehr, sehr schnell sehen, dass man versucht über Produkte oder Leistungen durch das Anbringen von Mobilfunk-Tags, von Datenübertragung sozusagen zusätzliche Daten zu generieren und diese Daten eben in bestimmten Kontexten zu nutzen, um beispielsweise neue Geschäftsmodelle aufzubauen.

    Das kann ich natürlich alles nur machen, wenn ich irgendwo so ein Datenfundament aufbaue, so ein Unternehmensdatenfundament.

    Und genau das ist eigentlich das Wesen von dem, was wir mit dem ERP, mit dem Enterprise Resource Planning System machen, also wir gründen sozusagen das Fundament, es gibt ganz viele andere Softwaresysteme obendrauf, es gibt auch viele Konsolidierungen zwischen den Software-Gattungen, aber das ist für mich das Wesen, was wir eigentlich mit ERP erreichen wollen.

    00:06:02.9

  5. Petra Koch:

    Also ein sehr operatives System, was dann die Geschäftsprozesse letztendlich komplett unterstützt, die Ressourcen plant, das ist ja auch der Kern des Namens, ne.

    00:06:13.0

  6. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Genau.

    00:06:13.5

  7. Petra Koch:

    Was sind so die wesentlichen Punkte, was würden Sie sagen, worauf kommt es an, wenn ich ein solches operatives System im Einsatz habe im Unternehmen?

    00:06:21.4

  8. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Es muss natürlich sag ich mal das Geschäftsmodell des Unternehmens heute und zukünftig sehr stark unterstützen.

    Es muss auch die Geschäftsprozesse des Unternehmens sehr stark unterstützen.

    Da kommen wir jetzt in so Problematiken rein, wir haben es jetzt ja vor kurzem gerade in der Zeitung vernommen oder in meiner Community, auch nicht nur in der Zeitung.

    SAP und Lidl, die also 500 Millionen Euro in das gemeinsame Transformationsprojekt letztendlich versenkt haben.

    Das sind dann so typische Probleme, wo Software und Unternehmen, ich kann es nicht alles beurteilen, aber unter Umständen nicht zusammengepasst haben oder man im Unternehmen nicht hingegangen ist und reorganisiert hat, also die Prozesse auf die Software angepasst hat.

    Also da muss es einen Fit geben zwischen dem, was eigentlich über die Software unterstützt wird auf Basis des Datenfundaments und dem, was das Unternehmen eigentlich in seinen Geschäftsmodellen braucht.

    Je flexibler das natürlich für die Zukunft ist, desto mehr kann ich da auch in Zukunft Geschäftsmodelle als Unternehmen entwickeln.

    00:07:25.9

  9. Petra Koch:

    Mhm (bejahend).

    Sie haben es jetzt gerade schon angesprochen, die ganze Software-Welt wandelt sich da auch, auch die ERP-Systeme wandeln sich, vor allem vor dem Hintergrund der Digitalisierung ist ja zum einen ein solides Fundament für Daten und Prozesse im Unternehmen superwichtig.

    Was sollten CIOs und IT-Manager bei der Weiterentwicklung in diesem Rahmen hinsichtlich ERP-System berücksichtigen und was ist so Ihr Eindruck, wie wandeln sich die ERP-Systeme auch?

    00:07:51.9

  10. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Ich fange mal mit dem letzten an.

    Die ERP-Systeme werden immer flexibler.

    Die ERP-Systeme gehen immer mehr von diesem monolithischen eigentlich weg.

    Ich meine jetzt monolithisch gar nicht so sehr als fest zusammengelötetes technisches System, sondern mehr so als eine Software, die ich eigentlich nur in einem Anwendungskontext nutzen kann.

    Heutige Systeme sind da eigentlich viel offener, können in unterschiedlichen Kontexten sozusagen als Business-Plattformen genutzt werden.

    Natürlich gibt es ein Kernsystem, aber darüber hinaus baue ich entlang der Geschäftsmodelle, entlang der Prozesse, sozusagen das System so auf wie ich es in dem Moment brauche, ich greife mir also einzelne betriebswirtschaftliche Funktionalität, einzelne Daten aus dem darunterliegenden Datenfundament, um es dann im Geschäftsmodell sozusagen aufzubauen.

    Das ist glaube ich die Grundvoraussetzung, die ich mit modernen IT-Systemen oder ERP-Systemen adressiere.

    Manchmal heißen die auch gar nicht ERP, je nach Branche.

    Die große Herausforderung für die IT-Abteilung, gerade für den CIO, ist eigentlich immer zu sehen und voraus zu erahnen, wo das Unternehmen hinläuft, welche Geschäftsmodelle, welche Anforderungen an die IT dort auch gestellt werden.

    Sie können heute die modernste Software einsetzen, in fünf Jahren wird wieder irgendein Geschäftsmodell sich entwickeln, was dann vielleicht mit der modernen Software von heute auf diese Art und Weise nicht mehr unterstützt werden wird.

    Wir kennen das aus der Vergangenheit oder auch aus der Gegenwart, dass dann viele Fachabteilungen Schatten-IT aufbauen, also das berühmte CRM-System im Vertrieb, was dann, weil das ERP-System das noch nicht unterstützt hat diese Funktionalität, einfach so stiekum gekauft wurde.

    Das sind natürlich Probleme, die ich als CIO immer wieder habe und wo ich wahrscheinlich auch alle paar Jahre einfach konsolidieren muss und in neuen Projekten, wir sagen, so alle zehn, fünfzehn Jahre ich sag mal den Status Quo wieder erheben muss und in einem neuen System, in einem neuen Projekt dann auch wieder zusammenführen muss.

    Ja.

    Wir kämpfen heute noch sehr, sehr viel mit Excel.

    Excel ist ein tolles Tool.

    Irgendjemand hat mal gesagt, es ist das größte ERP-System der Welt.

    00:10:15.1

  11. Petra Koch:

    Ja.

    Bei manchen Unternehmen wird es so genutzt.

    00:10:18.1

  12. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Wenn Sie einmal mitgekriegt haben, was dort auch für Rechtsstreitigkeiten auf Basis von Excel ausgefochten werden, was dort auch für Probleme auf Basis von Excel entstehen können, weil es eben nicht compliant ist, weil es eben nicht nachverfolgbar ist, was innerhalb der Datenbasis von Excel gemacht wird, weil diese Tabellenblätter einfach weitergeschickt werden innerhalb des Unternehmens, weil es ich sag mal sich widersprechende Tabellen, Dateien sozusagen gibt in den unterschiedlichen Abteilungen, weil man dann ins Streiten kommt, wer hat denn jetzt die richtige Kennzahl auf Basis von Excel und so weiter und so fort.

    Also da gibt es ganz, ganz viele Mechanismen eigentlich, die gegen diese Flexibilität von Excel als losgelöstes Tool sprechen.

    Moderne ERP-Systeme versuchen aber natürlich das Beste aus beiden Welten zu integrieren und sagen dann, okay, so ganz werden wir Excel auch nicht aus den Unternehmen verbannen.

    Wir müssen es zum Teil des kontrollierbaren Unternehmensdatenfundaments machen und dann werden sozusagen die Daten aus dem ERP-System ausgecheckt nach Excel, alle Veränderungsschritte innerhalb von Excel überprüft und die Daten werden dann zurückgespielt in das ERP-System, sodass dort eben auch Historie vorliegt, wer hat welche Daten wie angefordert und modifiziert.

    00:11:36.5

  13. Petra Koch:

    Genau.

    Das kenne ich auch aus vielen Management-Reporting-Systemen und Unternehmensplanungssystemen, da ist es ja ähnlich, ne.

    00:11:42.3

  14. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Genau.

    00:11:43.0

  15. Petra Koch:

    Wenn ich auch die Daten per Excel schicke, habe ich auch keine Nachverfolgbarkeit und irgendwann sind die verschiedenen Versionen im Umlauf und keiner weiß mehr, was stimmt denn jetzt.

    00:11:52.2

  16. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Ja.

    Ich habe so 3 Stufen eigentlich von Software im betriebswirtschaftlichen Kontext, wo die Daten eigentlich genutzt werden funktional und prozessual.

    In der höchsten Abstraktion ist es eben das, was ich Unternehmensdatenfundament nenne, das heißt die Daten sind an einem zentralen Ort sozusagen vorhanden und was ich damit mache, bleibt dann mir überlassen.

    Es gibt ein paar ERP-Hersteller, die so einen sage mal relativ generischen Ansatz fahren.

    Excel ist auch so ein Teil eines generischen Ansatzes.

    Ich kann mit den Daten dann alles Mögliche in Excel letztendlich programmieren sozusagen oder sehr einfach darstellen.

    Dann gibt es obendrüber, vielleicht eine Abstraktionsebene niedriger, gibt es dann so Software-Gattungen wie Enterprise Resource Management.

    Das wäre so das klassische ERP-System.

    Die typischen Hersteller von Enterprise Content Management, also DMS, Dokumentenmanagement Hersteller, ECM Hersteller, Content Management Hersteller.

    Dann gibt’s solche Hersteller von Enterprise Information Management, sowas wie Groupware-Hersteller und obendrüber gibt es vielleicht noch eine 4. Gattung Workflow-Hersteller, die eben sage mal sehr stark prozessual orientiert sind.

    Das sind so typische abstrakte Gattungen von Softwaresystemen.

    Wenn ich dann wirklich in die dedizierte Branche gehe, was weiß ich in den Bau oder in die Krankenhäuser oder so, dann würden die mich nicht verstehen, wenn ich sage, wir sprechen jetzt mal über ERP oder ECM, sondern da ist es dann das Bau-Tagebuch oder die Patientenakte oder die Bürger im öffentlichen Dienst oder, oder, oder.

    Also ganz konkrete Funktionalität der Branche sozusagen, aber natürlich auf Basis eines Datenfundamentes und jeder ECM-Hersteller würde Bau-Tagebuch auch sagen, ja, Mensch, können wir doch eigentlich auch.

    Aber die sind auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen und unterschiedlichen Funktionalitäten.

    Der eine adressiert wirklich ganz konkret den Bau mit seiner Funktionalität und nur den Bau und der andere hatte halt ein bisschen abstrakter entwickelt und adressiert hier ganz unterschiedliche Branchen damit, was dann natürlich angepasst werden muss auf das jeweilige Unternehmen.

    00:14:06.2

  17. Petra Koch:

    Wir hatten eben auch schon mal so ein bisschen über die Digitalisierung gesprochen.

    Jetzt hatten wir auch schon mal gesagt, es ist ja auch damit nicht zu Ende, es geht weiter.

    Und auch so das Thema Blockchain könnte zukünftig für ERP-Systeme und auch für den Einsatz von ERP-Systemen von Bedeutung sein.

    Wie sehen Sie das?

    00:14:25.9

  18. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Wir haben jetzt gerade ein großes Projekt, das wird demnächst auch starten, wo wir eben auch schauen, ob man dezentrale Ansätze und so ein Mechanismus ist ja letztendlich die Blockchain, die eben nicht manipulierbar sind, das ist die Idealvorstellung dahinter, ob man die auch nutzen kann, um sage mal gerade in den Datenaustausch zwischen ERP-Systemen Daten nicht oder manipulationssicher sicherzustellen, also sozusagen die Transaktionen zwischen verschiedenen Systemen und das haben wir zunehmend in Wertschöpfungsnetzen, dass man die dort abspeichern kann, um eben zu sagen, jawoll, alle Lieferanten, alle Partner der Wertschöpfungskette haben diese Daten eben manipulationsfrei von der vorgelagerten Stufe erhalten, haben sie in einem bestimmten Format, auch das ist manipuliert worden, erhalten.

    Also solche Dinge kann ich mir durchaus vorstellen.

    Für das individuelle ERP-System sehe ich den Nutzen von dezentralen Mechanismen wie Blockchain eher so in Konzernen, in Holding-Strukturen, weniger in einem Firmenkontext, wo es sozusagen nur einen Mandanten gibt.

    Aber wenn ich die Blockchain ein bisschen aufdrösele, dann habe ich zwei Mechanismen.

    Das ist einerseits dieser dezentrale Blockchain-Mechanismus und im gleichen Atemzug wird dann auch immer gerne der sogenannte Smart Contract genannt, was ja nichts anderes ist als sozusagen algorithmischer Vertrag.

    Das heißt ich schreibe einmal im Software-Code, wenn bestimmte Ereignisse passieren beispielsweise zwischen verschiedenen Wertschöpfungspartnern, was weiß ich, tausche mir Ware aus mit den Lieferanten, also Ware gegen Zahlung und so weiter, dann werden eben über diesen vertraglichen Algorithmus, diesen Smart Contract, sozusagen die Zahlungen angestoßen.

    Diese Art von Mechanismen, die können wir eigentlich losgelöst sehen von dem eigentlichen Blockchain-Mechanismus und das sehe ich als ganz, ganz starken Moment und das wird zunehmend auch kommen, dass wir eben versuchen größtmögliche Automatisierung in die BWL-Welt reinzuziehen.

    Dafür brauchen wir das Datenfundament, dafür brauchen wir die ERP-Funktionalität, die ERP-Prozesse und dann können wir eben sowas machen, dass wir algorithmisch sozusagen Verträge aufsetzen zwischen verschiedenen Partnern und dann laufen Zahlungen von links nach rechts oder von rechts nach links oder so.

    00:16:52.9

  19. Petra Koch:

    Jetzt haben wir schon ganz oft drüber gesprochen, dass Unternehmen ein solches Unternehmensdatenfundament aufbauen sollten, sprich, also auch ein ERP-System im Einsatz haben sollten.

    Was sind so Ihre Erfahrungen, was gibt es für Herausforderungen, Chancen beim Aufbau eines solchen Unternehmensfundaments?

    Also sprich, wenn ein Unternehmen jetzt noch kein klassisches ERP-System einsetzt oder auch, wenn ein solches ERP-System upgedatet wird oder eben die Frage gestellt wird, wir haben zwar ein ERP-System, das ist aber schon ich sage mal in Anführungsstrichen „ein bisschen in die Jahre gekommen“ und wir wollen das mal updaten.

    Das ist in der Regel dann auch wieder ein komplettes neues Projekt, was dann entsprechende Größenordnung annimmt.

    00:17:32.3

  20. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Mhm (bejahend).

    Ich fange mal mit dem leichteren Fall an, sozusagen das Updaten.

    Es gibt eine Reihe von Risiken, die ich in solchen Projekten immer habe.

    Die Mitarbeiter haben sich an irgendwelche Prozesse gewöhnt.

    Es gibt bestimmte Bereichsfürstentümer.

    Meistens ist es ja auch so, dass die ERP-Berater dann auch noch ein bisschen jünger sind als 60-jährige, liebe Produktion, Sie mögen es mir verzeihen, der Produktionsmitarbeiter, exemplarisch stehend für sämtliche Branchen sozusagen.

    Dann wird eben, obwohl eigentlich gesagt wird, wir hätten es so und so machen müssen, wird trotzdem der Dickschädel sozusagen durchgesetzt.

    Das ist genau das Problem, was man natürlich hat, wenn man bestimmte eingefahrene Dinge hat.

    Das ist ja auch so, dass ein Standard-Softwaresystem wie es im Regelfall ein ERP-System ist und auch sinnvoller Weise sein sollte nicht, eben nicht dafür taugt wirklich 100 Prozent der Funktionalität oder Funktionserwartung und Prozessnotwendigkeiten des Unternehmens abzubilden.

    Also einen Teil kann ich dadurch erledigen, dass ich sage, okay, ich reorganisiere mein Unternehmen, ich verändere selber die Prozesse, einen Teil kann ich aber auf diese Art und Weise auch nicht lösen und da muss ich mir überlegen, wie gehe ich mit so etwas um.

    Wir hatten vorhin das Beispiel Lidl, Kardinalfehler, da wird hier auch selber Lidl sozusagen zitiert, Sturheit und eine überhebliche „das haben wir schon immer so gemacht“-Mentalität, also genau das, was ich eben sagte.

    Es gibt noch eine Reihe von weiteren Problemen, die ich immer wieder in diesen Projekten habe, nämlich beispielsweise das ist das erste Mal, dass wir so ein Projekt machen.

    Wir unterschätzen die Komplexität des Projektes, die Mitarbeiter, die mitarbeiten sollen, die sogenannten Key User bekommen nicht genügend Zeit eingeräumt, haben kein Interesse am Projekt, stehen kurz vor dem Ruhestand, wollen das Projekt deswegen nicht, lehnen es sogar ab, versuchen auch noch gegen das Projekt zu arbeiten.

    Dann gibt es sicherlich auch externe Probleme wie beispielsweise, dass das Beratungsunternehmen nicht ausreichend Kapazität zur Verfügung stellen kann, die falschen Mitarbeiter zur Verfügung stellt und, und, und, und.

    Das heißt nicht, dass jedes Problem bei jedem Projekt auftaucht, aber es sind Möglichkeiten, die passieren können.

    So und jetzt hatten Sie gesagt, wenn ich sozusagen auf der grünen Wiese anfange?

    00:20:03.7

  21. Petra Koch:

    Genau.

    00:20:04.2

  22. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Es gibt auch noch heute, wir schreiben auch irgendwie das Jahr 5 würde ich mal so sagen, der zweiten digitalen Transformationswelle, nachdem wir das ja alles schon mal durch hatten zu Zeiten der New Economy und dann massiv abgeflacht ist, ist ja irgendwie 2012, 2013, 2014 wieder massiv in den Medien aufgetaucht.

    Ich kann Ihnen aus der Praxis heraus sagen, dass es noch sehr viele mittelständische Unternehmen gibt, die mit ihren ganz eigenen Methoden arbeiten.

    Also ich habe in den letzten zwei, drei Jahren alles gesehen von alten Mainframe-Systemen, ich habe Systeme gesehen, wo man gesagt hat, da ist Dongle dran und das läuft nur noch bis 31.12. des nächsten Jahres, die Firma gibt es nicht mehr so richtig.

    Ich habe den Programmierer im Ruhestand erlebt.

    Ich habe sogar den Taschenrechner noch in den Unternehmen gesehen und Excel habe ich eigentlich in fast jedem Unternehmen gesehen.

    Und diese Unternehmen wollen jetzt mit dem Versprechen, wir können alles automatisieren, quasi in diese schöne neue Welt, Unternehmensdatenfundament, Vollintegration ERP, eigentlich reingehen und jetzt passiert neben den ganzen Dingen, die ich eben schon genannt habe und wahrscheinlich habe ich jetzt noch spontan fünf Sachen nicht aufgezählt, passiert folgendes.

    Diese Unternehmen sind betriebswirtschaftlich überhaupt noch nicht gereift.

    Das heißt die arbeiten noch mit sehr vielen Ad Hoc Prozessen, also nach dem Motto, hey Mani, sag mal, was kosten die Bananen?

    Das sind so typische Ad Hoc Prozesse, die dazu führen, dass die Prozesse natürlich vermeintlich wahnsinnig flexibel sind, aber so in der Zukunft nicht gelebt werden können.

    Und jetzt kommt ein zweites Phänomen, Datenintegration, also das Zusammenführen der Daten aus dem gesamten Unternehmen bedeutet auch immer, dass die Unternehmen zukünftig dort in das System eingegeben werden, wo sie das erste Mal aufschlagen, und zwar meistens in ihrer Gesamtheit, also quasi an den Rändern des Prozesses.

    Zwei Beispiele.

    Bislang hat die Produktion alle Produktionsaufträge per Papierausdruck gekriegt und hat dann losgelegt.

    Jetzt ist es so, dass der Einkauf in dem System schon die Rohstoffe und so weiter beschafft sozusagen und ihm gleichzeitig aufs Auge gedrückt wird, dass er in der Erfassung der Daten, die dann ja auch später in der Produktion benötigt werden, auch sämtliche Produktionsdaten darüber hinaus gleich noch mit anzulegen hat.

    Da sagt der Einkauf natürlich, warum soll ich das machen?

    Das ist eigentlich gar nicht meine Aufgabe ursprünglich.

    Also für den Einkauf verschlechtert sich an der Stelle etwas, aber für die Produktion verbessert sich natürlich der Auskunftsstatus, die Automatisierungskapazität und so weiter und so fort.

    Das heißt wir haben eigentlich ein Gesamtoptimum über das Unternehmen, aber wir haben unter Umständen eine lokale Verschlechterung an den Rändern, sprich da, wo die Daten sozusagen das erste Mal auftreten im Einkauf.

    Gleiches Phänomen sehen wir immer wieder, wenn wir CRM eigentlich haben, also Customer-Relationship-Management, Leute oder Unternehmen, die solche Funktionalität so ein System, ich nennen jetzt einen Namen, Salesforce ist ja meistens dann immer in aller Munde, einführen wollen, da stellen die dann plötzlich fest, dass der Vertriebler, der eigentlich immer zum Kunden rausfahren soll und hinterher irgendwie noch ein bisschen Protokoll schreibt in aller Kürze, damit dann der Innendienst das abtippt und so weiter, plötzlich selber sämtliche Daten erfassen soll in dem System.

    Ist ja auch logisch, warum soll es doppelt irgendwie gemacht werden im Innendienst und im Außendienst und so weiter.

    Nur das führt natürlich dazu, dass der Vertriebler sagt, Moment, erstens, das ist mein intrinsisches Wissen, das will ich ja gar nicht herausgeben und zweitens, ich soll doch eigentlich die Zeit beim Kunden verbringen und nicht damit, irgendwelche Berichte zu pflegen.

    Und diese Sache ich sag mal Ablehnung dieser Neuerungen, die da kommen, die führen eben dazu, dass solche Projekte unter Umständen auch scheitern können.

    Das ist ein ganz spannendes Phänomen und das sehen Sie natürlich, je niedriger der Reifegrad eines Unternehmens ist, desto mehr sehen Sie diese Effekte eigentlich.

    00:24:21.4

  23. Petra Koch:

    Sie hatten jetzt eben ja auch gesagt, das ist halt häufig im Mittelstand auch.

    Es gibt aber auch Mittelständler, die sind schon sehr gut präpariert sag ich mal, die haben schon hohen Reifegrad auch.

    Und was ich da häufig feststelle, ist dann die Frage, schneidet man alte Zöpfe ab, geht man also den Weg und sagt, wir nutzen jetzt die Chance und bauen das Ganze nochmal neu auf oder versucht man im Grunde, wie Sie das eben auch schon mal skizziert haben, das, was man jetzt hat, so die Welt, die man kennt, einfach in das neue System nochmal abzubilden?

    00:24:50.5

  24. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Ja.

    Das ist eine gute Frage.

    Da ist Lidl auch zum Beispiel drüber gestolpert.

    Ich greife immer das Beispiel raus, weil wir haben das ja ein bisschen voraufgezeichnet und es ist gerade ein ganz aktuelles Thema.

    Die hatten dann zum Beispiel das Problem, dass sie ihre Warenbestände oder die Warenwirtschaft nach Verkaufspreisen gesteuert haben, das ist anders als viele Konkurrenten.

    Während das SAP-System, mit dem die arbeiten sollten, eben standardmäßig Einkaufspreise zur Bewertung der Warenbestände herangeführt hat.

    Also da clashen eigentlich zwei Welten zusammen, ein Geschäftsmodell, was sich über Jahrzehnte bewährt hat, kommt auf ein ich nenne es mal Best Practice System sozusagen, was eine bestimmte Art von prozessualer Vorstellung hat, as ist nun mal bei Standard-Softwaresystemen so, dass es bestimmte Gegebenheiten gibt.

    Und dann muss man sich überlegen, ist das, wie wir das bisher gemacht haben, wirklich auch in Zukunft etwas, so wie wir das machen wollen mit allen Konsequenzen, die es dann auch für die IT bedeutet oder können wir uns darauf einlassen, dass wir Dinge anders machen als in der Vergangenheit?

    Das kann unter Umständen oder es muss noch nicht mal mit dem ERP-System an der Stelle zusammenhängen, es kann auch sein, dass sich plötzlich neue Geschäftsmodelle aufbauen und die neuen Geschäftsmodelle mich in solche Überlegungen rein zwingen.

    Da bin ich dann natürlich gut beraten, wenn ich sozusagen ein Standardsoftware-System für das Unternehmensdatenfundament habe, weil der Standard schon verschiedene Varianten durch Parametrisierung, durch Customizing vorsieht und ich gegebenenfalls sehr, sehr viel schneller reagieren kann, als wenn ich das alles selber programmiert hätte oder meine 30 Jahre alte Mainframe-Werkschaft dort im Einsatz habe.

    Sie lachen schon, Sie kennen das auch, ja?

    00:26:39.7

  25. Petra Koch:

    Genau.

    Ja, ich kenne das auch.

    Vor allen Dingen, wo man dann irgendwo noch Arbeit hat, die entsprechenden Entwickler zusammenzusuchen, wenn es dann entsprechend alt ist.

    00:26:47.9

  26. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Es ist wirklich ein Beschaffungsmodell für Leute, die vielleicht vor einer Rente noch etwas aufstocken müssen.

    Ja.

    Und viele der Sprachen, ich bilde ja Wirtschaftsinformatiker aus, werden an den Hochschulen, an den Universitäten, nicht mehr ausgebildet, geschweige denn, dass unsere Studenten sie noch fehlerfrei buchstabieren könnten.

    Das ist dann das Problem, auf das ich irgendwann stoße, wenn ich nicht sozusagen auch als CIO, als IT-Abteilung, als Unternehmen da mit der Zeit gehe.

    00:27:19.2

  27. Petra Koch:

    Ja genau.

    Sie haben es gerade schon angesprochen, dass man deutlich schneller ist vielleicht auch mit Standardsoftware.

    Jetzt haben da viele auch so eine Vorstellung, dass das irgendwie so klick und schon das neue System da funktioniert.

    Was sind so Ihre Erfahrungen hinsichtlich Laufzeit, erstmal von einer Neueinführung oder dann auch von einer Migration?

    00:27:37.9

  28. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Ja.

    Das ist eine gute Frage, weil sie sich nicht ganz so pauschal beantworten lässt.

    Wenn Sie ERP-Hersteller fragen, ich sag mal so einen mittelständischen ERP-Hersteller, dessen System ausgelegt ist irgendwo bei Anwendungsunternehmen zwischen 50 und 150 Mitarbeitern, dann wird der Ihnen den Mund wässrig machen und sagen, naja, 14 Tage.

    00:28:00.6

  29. Petra Koch:

    Oh Gott!

    00:28:01.6

  30. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Genau.

    Das ist die erste Reaktion sozusagen, wenn dann das Gegenüber überhaupt in der Lage ist das zu durchschauen so.

    Ja, also 14 Tage bis wir das System sozusagen aufgespielt haben und das sozusagen als out of the box bei Ihnen dann auch läuft.

    Dazu kommt natürlich noch die Datenmigration.

    Ach ja, und dann müssen wir uns natürlich noch Gedanken machen wie zukünftig organisatorisch das bei ihnen abgebildet werden soll, wie bestimmte Prozesse bei Ihnen ablaufen sollen und so weiter und so fort.

    Dann wird selbst bei kleineren mittelständischen Projekten, wo ein gewisser Anpassungsaufwand seitens des Unternehmens, aber auch seitens der Software besteht, schneller da draus ein Projekt, was 3 bis 6 Monate eher 6 als 3 Monate dauert.

    Das können Sie bei größeren Unternehmen beliebig in die Länge ziehen.

    Die großen Projekte laufen auch über viele, viele Jahre.

    Das ist einfach so etwas, was dann natürlich viel Diskussionsbedarf hat, wo auch die Fachabteilungen mitreden müssen, wo es auch Veränderungen im Unternehmen gibt, wo vielleicht auch physisch was verändert werden muss, weil man ein neues Lagerkonzept aufbaut, ein neues Logistikkonzept und so weiter und so fort.

    Das macht dann in der Summe der Einzelpositionen dann den großen Zeitraum aus so.

    Um das mal runter zu brechen auf wie viel Aufwand ist das eigentlich, wenn ich so einen typischen Mittelständler nehme, sagen wir mal 200 bis 400 Mitarbeiter, nehmen Sie 100 drauf 100 runter, das ist je nach Branche ja auch komplett unterschiedlich, wie viele dann mit der IT arbeiten, dann sind Sie schnell dabei, wenn sie ein ERP-System oder die Lizenzen für ein ERP-System kaufen, dass Sie einige hundert vielleicht 100, 200, manchmal 300 Mann-Tage sozusagen Customizing- und Implementierungsaufwand auch vonseiten des ERP-Hauses miteinkaufen.

    Sie können das immer noch mal Faktor, ich würde sagen, zwei vielleicht eher zweieinhalb bis drei rechnen an internen Manpower, den Sie eigentlich brauchen, um so einem Projekt zu begegnen.

    Also der externe Consultant mit ERP-Wissen kommt sozusagen zu Ihnen, macht mit Ihnen einen Workshop über die, wo legen wir in Zukunft welche Artikelstammdaten wie an, also für die Produktion, für den Einkauf, für den Verkauf und so weiter.

    Das ist dann Zwei-Tages-Workshop sag ich mal und hinterher ist massiv Arbeit auf Ihrer Seite, weil das müssen Sie ja, da müssen Sie die Leute einfangen, da müssen die Konzepte dann noch geschrieben werden drum herum, dann müssen Feinkonzepte erarbeitet werden, wie das dann tatsächlich auch in der Software implementiert werden soll.

    Also wer legt das in Englisch an, wer legt das in deutscher Sprache an und so weiter und so fort.

    Das sind ja Fragestellungen, die dann kommen und die dann dazu führen, dass Sie halt sehr viel Arbeit haben.

    Dann stellt sich natürlich die Frage, kann ich diese, wir haben jetzt gesagt 300 externe Mann-Tage sozusagen, gespiegelt mit dem Faktor 3, wären dann 900 interne Tage, also viereinhalb Mitarbeiter-Jahre sozusagen, kriege ich so viele Mitarbeiter auf einmal zusammen, dass ich das innerhalb von kürzester Zeit machen kann?

    Oder ist das etwas, was viele, viele Monate oder sogar Jahre in Anspruch nimmt, wo ich vielleicht auch so eine Step by Step Strategie fahre?

    00:31:36.7

  31. Petra Koch:

    Ja, genau.

    00:31:38.2

  32. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Und das muss ich mir als Unternehmen eben sehr genau überlegen.

    Das ist auch immer ein Problem, wenn ich dann das Wissen aus den Fachabteilungen brauche, ich möchte ja nicht den 08/15-Mitarbeiter aus der Fachabteilung haben.

    Ich möchte eigentlich gerne den Mitarbeiter haben, der seit 20 Jahren jede Schraube des Unternehmens sozusagen kennt, der immer kritisch hinterfragt, der manchmal auch nervt, aber der über alles Bescheid weiß in dieser Fachabteilung und der immer konstruktive Ideen hat.

    Blöderweise hat die Fachabteilung auch verstanden, dass das der wertvollste Mitarbeiter ist und blöderweise ist der in der Fachabteilung schon zu 120 Prozent, also im Einkauf, im Verkauf, wo auch immer ausgelastet.

    Während den anderen, den könnten sie eigentlich sofort kriegen, der hat nur 50 Prozent Auslastung sozusagen in der Fachabteilung.

    Aber der versteht eben auch nicht wirklich alle Prozesse der Fachabteilung oder wenn Sie dem sagen, so, wir haben jetzt hier die neuen sozusagen IT-Masken, ERP-Masken, so wie wir uns das für deine Fachabteilung vorstellen, bilden wir da alle Prozesse, bilden wir alle Funktionalität so ab wie du das brauchst, hast du alle Daten dann im Zugriff, wie du sie brauchst.

    Dann sagt der, das sieht bunt aus.

    Mit der Antwort können Sie nichts anfangen, weil dann kommt am Ende des Projektes halt, also wenn alles implementiert ist sozusagen, wenn eigentlich alles zu spät ist, kommt dann die Fachabteilung und sagt, Moment, wir haben doch immer gesagt, es muss ganz anders sein.

    Das sind die Problematiken, die Sie haben und die solche Projekte dann auch in die Länge ziehen.

    Ich kenne fast kein Projekt, wo man sich nicht am Anfang hingestellt hat und gesagt hat, wir wollen größtmögliche alle Standardprozesse so wie es uns das System vorgibt hier im Unternehmen, wir wollen möglichst wenig Aufwand im Unternehmen damit haben und am Ende des Projektes ist es dann doch meistens immer so, dass sich bestimmte Bereichsfürsten durchgesetzt haben, dass bestimmte Dinge doch so überlebenswichtig sind, dass man sie unbedingt so belassen muss, dass das System also angepasst werden muss und, und, und, und.

    Und dass die Projektdauer natürlich aufgrund von solchen Veränderungen innerhalb des Projektes sehr viel größer wird.

    00:33:51.1

  33. Petra Koch:

    Ja.

    Wir haben uns jetzt ganz viel über ERP-Systeme unterhalten und viele Mittelständler vor allem kriege ich zumindest so mit, Sie hatten das auch gesagt, dass Sie das häufig hören, sind mit der aktuellen Marktsituation, was ERP-Systeme angeht, häufig konfrontiert, wenn es um Release-Wechsel geht oder wie gesagt neue Implementierungen und dann stellt sich die Frage, was gibt’s denn eigentlich auf dem ERP-Markt alles und was ist denn jetzt das beste System für mich?

    Jetzt kann man sowas immer nur im Einzelfall beurteilen, aber vielleicht können Sie uns mal so einen aktuellen Marktüberblick geben, was Sie sagen, okay, was ist denn da eigentlich aktuell im Markt der ERP-Systeme so los?

    Vor allen Dingen, wenn ich jetzt nochmal das Thema On-Premises und aus der Cloud dazu rein gebe.

    00:34:32.6

  34. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Okay.

    Es gibt ja so einen alten Streit sozusagen Individual- versus Standardsoftware im Unternehmen.

    Dieser Streit ist denke ich in nahezu allen Branchen zugunsten eines EPR-Standardsystems entschieden.

    Wer dazu ein bisschen Information haben möchte, den verweise ich auch gerne auf meinen ERP-Podcast, wo ich glaube Folge 4 oder so ist es, auch mal eine Folge dazu gemacht habe.

    Also das ist eigentlich kein Thema mehr, weil Sie Individual so langsam entwickeln, quasi in 5 Jahren haben Sie dann die Anforderungen implementiert, entwickelt, die Sie eigentlich heute haben, nur blöderweise sind Ihre Anforderungen ja auch 5 Jahre weitergereift sozusagen.

    Und wenn da ein neues Geschäftsmodell kommt, dann können Sie es halt nicht in der Individualsoftware umsetzen.

    Das Standardsystem ist eben für viele Unternehmen gemacht, kann da flexibler, schneller parametrisiert und gecustomized werden.

    Das ist das eine Thema.

    Jetzt schieben sich seit einigen Jahren immer mehr die Fragestellungen, soll ich das jetzt eigentlich noch bei mir so zu sagen hosten, also kaufe ich mir einmalig die Lizenzen, zahle dann eine recht hohe Wartungs- und Update-Gebühr pro Jahr von irgendwas zwischen 15 und 23, 24 Prozent im Jahr nochmal auf den Lizenzpreis sozusagen nach vier, fünf Jahren habe ich nochmal den Lizenzpreis für das System oder alle vier, fünf Jahre habe ich dann den Lizenzpreis für das System nochmal bezahlt, habe aber auch das Problem, dass wenn ich die Lizenzen auf einmal kaufe, dass ich sie auch steuerlich nicht sofort ansetzen kann, sondern das ganze Jahr abschreiben muss oder variabilisiere ich sozusagen die Kosten, verlagere einen Teil meines IT-Know-how in irgendein Rechenzentrum, wir nennen das heute Cloud und mache mich eigentlich gar nicht mehr so zum Sklaven an der Stelle der IT, sondern überlasse das Leuten, die das vielleicht viel besser können.

    Da gibt’s natürlich jetzt ein paar Player, die sehr stark in diese Ecke preschen, beispielsweise Microsoft hat jetzt im vergangenen Jahr und ist auch heute noch dabei, seine ERP-Strategie komplett umzustellen, das, was wir als das alte sozusagen, Navision und, also Microsoft Dynamics AX beziehungsweise NAV kennen, wird jetzt zu Microsoft Dynamics Business Edition oder Enterprise Edition, wird sehr stark gekapselt.

    Da fließen dann Dinge wie LinkedIn, wie das Microsoft CRM-System, wie auch die ganzen Azure Cloud Services, auch KI-Aspekte und natürlich sage mal die strukturierte Internet-Aufbereitung durch Bing und andere Dienste von Microsoft mit ein.

    Also da gibt’s quasi so ein eigenes Ökosystem, was sich dann rund um das ERP-System sozusagen entwickelt.

    Ich habe da heute auch dedizierte Server, auf denen das läuft.

    Ich habe mein eigenes System dann sozusagen in der Cloud.

    SAP geht einen ähnlichen Weg, das ist die eine Welt und dann gibt es sicherlich sehr viel kostengünstiger auch andere Welten wie beispielsweise weclapp oder andere Systemhersteller, die sagen, okay, wir haben nicht dedizierte sozusagen Cloud-Server für jedes einzelne Unternehmen, sondern jedes Unternehmen ist sozusagen, SAP hat das mal Tenant bezeichnet, ist sozusagen eine virtuelle Installation auf dem gleichen Server, in Anführungszeichen, also dadurch, dass ich mich mit meinen, einlogge, bin ich eben in meinem Unternehmensdatenfundament und das kann ich natürlich wesentlich effizienter betreiben, als wenn ich dedizierte virtuelle Server habe wie bei Microsoft oder SAP.

    Darüber hinaus gibt es zurzeit etwa noch so 400, 500, vielleicht 600 auch noch durchaus relevante ERP-Systeme, die unterschiedlich alt auch sind.

    Ein paar sehr, sehr moderne Systeme, weclapp habe ich eben genannt, auch einige andere, die erst um ich sag mal das Jahr 2010 herum mit ihrer Entwicklung angefangen haben, aber das Gros der ERP-Hersteller ist aus den 90er, aus den 80er und 90er Jahren.

    Das heißt die Betriebswirtschaft ist natürlich in den Systemen sehr stark gereift, aber gleichzeitig ist natürlich auch die Technologie, wie sage ich das jetzt, also etwas anders, als wenn man heute anfangen würde das System zu entwickeln.

    So ist das vielleicht vorsichtig umschrieben.

    00:39:12.4

  35. Petra Koch:

    Ja.

    Alles klar.

    Genau.

    Das ist ja auch immer bis zu dem Zeitpunkt dann entsprechend gemacht, wie es dann wie Sie sagen eben genau da am besten gepasst hat auch, ne.

    00:39:21.4

  36. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Ja, das ist halt auch ein Trade-off.

    Also Sie müssen sich natürlich überlegen, wenn Sie in Ihrer Branche ein passendes System suchen, es gibt ein paar passende Systeme und dann haben Sie das gefunden, was also am besten passt.

    Das ist aber 30 Jahre alt.

    Nehmen Sie jetzt in Kauf, dass die Technologie vielleicht ein bisschen älter ist, dass Sie nicht über alle Module sozusagen Drag & Drop machen können, nicht STRG+C, STRG+V, machen können und, und, und?

    Oder sagen Sie, ich setze lieber auf ein ganz, ganz neues System und verzichte damit auf das ein oder andere, betriebswirtschaftliche Funktionalität, was noch nicht in dem System drin ist?

    00:39:58.2

  37. Petra Koch:

    Ja.

    Gut.

    Wir haben schon über vieles gesprochen.

    Sie haben ja jetzt auch schon einiges erläutert, vor allen Dingen auch im Hinblick auf den ERP-Markt.

    Ich denke, die Hörer, die das sehr dediziert interessiert, die sind ja auch in Ihrem Podcast bestens aufgehoben, da haben Sie ganz, ganz viel zum Thema ERP-Systeme schon bereitgestellt.

    Und Sie haben noch wie ich finde ein sehr, sehr schönes Informationsangebot, was kostenfrei ist, für ERP-System-Entscheider geschaffen, das ist die DigiKonf für ERP-Systeme.

    Können Sie uns da noch ein bisschen was zu erzählen?

    Was erwartet Teilnehmer und wie läuft das Ganze ab?

    Wann findet die DigiKonf statt?

    00:40:31.6

  38. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Ja.

    Danke, dass Sie darauf hinweisen, das ist ja eine Steilvorlage.

    Ich bin Professor für Wirtschaftsinformatik, das heißt ich werde natürlich immer von ganz, ganz vielen gefragt, sag mal, wir brauchen da ein System und was machen wir denn und wie machen wir denn?

    Und genau auf die Art und Weise ist Podcast auch entstanden, dass ich gesagt habe, ich muss da einfach auch einen gewissen Wissenstransfer vorbereiten.

    Keiner liest heute noch dicke Bücher, keiner liest irgendwie auch noch die Storys in den Zeitungen wirklich, wie kriege ich die Leute erreicht, und das war die Grundlage für meinen Podcast, den ERP-Podcast.

    Und dann haben wir gesagt, Mensch, wir haben noch ein zweites Problem eigentlich.

    Die Leute gehen nicht mehr auf reale Messen, um sich zu informieren.

    Viele Mittelständler sind gar nicht in der Lage eigentlich ihr ganz konkretes Problem, also permanente Fehlbestände im Lager, die Mitarbeiter in der Produktion sind permanent überlastet, weil irgendwie immer eine Ausnahme dazwischengeschoben werden muss und die Feinplanung und die Grobplanung in der Produktionsplanung eigentlich nie so richtig funktioniert und, und, und, und.

    Die sind gar nicht in der Lage das eigentlich umzumünzen in IT sozusagen, weil sie nicht verstehen, dass ihr originäres Problem eigentlich ein Datenproblem ist, ein Problem des Datenfundaments und welche Softwaregattung oder welche ERP-Systeme dafür dann eigentlich geeignet sind.

    Und das war so der Aufschlag, wo ich gesagt habe, wir müssen das andersmachen.

    Wir müssen die Leute da abholen, wo sie sind, Messen sind typischerweise unstrukturiert, wir machen jetzt mal eine virtuelle Messe.

    Wir machen 3 Tage lang sozusagen Livestream mit sehr, sehr vielen ERP-Herstellern oder generell Unternehmenssoftware-Herstellern, die gesagt haben, das machen wir mit, wir stellen wirklich zu dem Problem des Mittelstands Informationen zur Verfügung, wir berichten jeweils in halbstündigen Slots da drüber und Sie können das Ganze dann über unsere Webseite digikonf.de, also Digital-Konferenz, können Sie sozusagen Anfang November, vom 5. bis 7. November dieses Informationsangebot wahrnehmen.

    Da wird es ein Programm jetzt die Tage zu geben, welcher Hersteller wann sein System, seine Lösung für bestimmte Mittelstandsprobleme präsentiert.

    Das Ganze ist kostenlos.

    Das Ganze ist insofern verbindlich, dass Sie wirklich am Montag um 10:30 Uhr eingeschaltet haben müssen, um auch den Hersteller X oder Y sehen zu können.

    Das Ganze ist aber auch so, dass Sie anonym bleiben als Mittelständler.

    Ich weiß, dass der Mittelstand immer den direkten Kontakt scheut, weil er nicht 12 Wochen sozusagen sturmreif geschossen werden möchte von irgendwelchen Vertrieblern.

    Also er möchte sich erstmal nur informieren und das bieten wir eben mit dieser Plattform, mit diesem Informationsangebot.

    Hat eine kleine Chat-Funktionalität, sodass Sie auch mit den Herstellern in Kontakt treten können ohne da bis ins Letzte sich preisgeben zu müssen.

    Also wirklich ein neutrales Informationsangebot als Videostream über unsere Plattform digikonf.de.

    00:43:32.0

  39. Petra Koch:

    Ja super.

    Klasse.

    Also finde ich ganz toll und deswegen auch liebe Zuhörer, wenn es Sie interessiert, gerne anmelden.

    Ich glaube, Ihnen kann man einfach auch vorab Fragen schicken oder Themen, die einen interessieren.

    Ich denke, da sind sie wahrscheinlich auch offen und froh für Input oder?

    00:43:47.2

  40. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Sehr, sehr gerne.

    Also ich bin ja irgendwie im Netz auch nicht zu übersehen.

    Wenn man Professor Winkelmann eingibt, dann kommt man relativ schnell auf meine Webseiten und ich freue mich immer über Kontakte auch zu Hörern.

    00:44:01.9

  41. Petra Koch:

    Super.

    Dann würde ich sagen, wenn Sie einem CIO beziehungsweise einem IT-Manager einen einzigen Tipp in Bezug auf ERP-Systeme geben könnten, welcher wäre das?

    00:44:10.7

  42. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Machen! Und zwar nicht morgen, sondern am besten gestern.

    Ich habe ganz am Anfang eine Entwicklung aufgezeigt, die kommen wird unzweifelhaft.

    Und Sie brauchen zwei, drei Jahre, um so ein ERP-System nicht nur zu implementieren, also den Go-Live zu haben, sondern tatsächlich auch an dem System zu wachsen oder zumindest erstmal den Status Quo zu erhalten, den Sie vorher hatten, um daraus dann neue Resultate zu erzielen.

    Und je länger ich damit warte, die anderen aus meiner Branche schlafen auch nicht und neue Player mit neuen Geschäftsmodellen, die meine Kunden adressieren, schlafen auch nicht.

    Das sehe ich nicht, aber wenn die auf den Markt kommen und ich habe meine eigene IT an der Stelle nicht sozusagen gefechtsbereit, dann habe ich nicht mehr zwei, drei Jahre Zeit, um das nachzuholen.

    00:45:03.7

  43. Petra Koch:

    Das ist doch ein schönes Schlusswort, würde ich sagen.

    Vielen, vielen Dank für das Interview.

    Hat Spaß gemacht.

    00:45:08.8

  44. Prof. Dr. Axel Winkelmann:

    Frau Koch, herzlichen Dank für das Interview.

    00:45:11.5

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